Lisa in Niort

Alle wunderbaren clichés wurden erfüllt

Hey, ich heiße Lisa, bin 18 Jahre alt und möchte euch mit diesem Artikel einen Einblick in das französische Leben verschaffen. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll! Es ist wirklich schwierig, zehn Monate in einem Text zusammenzufassen! Aber ich werde mein Bestes versuchen… Als allererstes kann ich euch sagen: Es war einfach nur super!!! Ich habe zehn wunderbare Monate verbracht, auch wenn ich das vorher nicht gedacht hätte. An alle Zweifler unter euch: Ich hatte eine Höllenangst vor diesem Austausch und hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, alles abzublasen! Was ein Glück, dass ich es nicht getan habe! „Mein Städtchen“ heißt Niort. Das sagt wahrscheinlich den Wenigsten etwas, ist aber sehr schön! Es liegt an der Atlantikküste zwischen Bordeaux und Nantes und ist nur etwa eine ¾ Stunde vom Meer und der wunderschönen Stadt La Rochelle entfernt.

Meine Gastmutter, die mir in Deutschland noch Sorgen bereitet hatte, da es sich um eine ältere Dame der Partnerorganisation handelte, erwies sich als spitze! Sie unternahm so viel mit mir! Wir besuchten viele Städte, wie Nantes, Limoges und sogar Paris! Ein Vorteil war, dass sie früher Englischlehrerin gewesen war, und so konnte sie mir oft helfen, wenn es mit der französischen Sprache nicht mehr weiter ging. Dennoch habe ich dies nicht völlig ausgenutzt, denn ich war ja schließlich da, um Französisch zu lernen. Ich hatte zuvor vier Jahre lang den Französischunterricht meiner Schule besucht, doch am Anfang meines Auslandaufenthalts hatte ich das Gefühl, diese Kenntnisse seien gleich null! Alle redeten so schnell und mit diesen ganzen familiären Ausdrücken, dass es mir zunächst nicht leicht fiel. Doch es ist unglaublich wie schnell man sich daran gewöhnt. Und heute: Verstehe ich sie alle!

Einige von euch fragen sich wahrscheinlich, wie das in der Schule ist; dies war auch eine meiner größten Sorgen. Meine Gastmutter hatte alles organisiert und mich für die „Première L“ mit „option musique“ angemeldet. Sie hatte meine Formulare richtig gedeutet und traf damit eine gute Entscheidung. Es gibt drei Zweige: Der Zweig ES (économique et sociale) spezialisiert sich auf die Wirtschafts- und Sozialwissenschaft, S (scientifique) auf die Naturwissenschaften und L (littéraire) auf die Literatur. Und diesen Zweig belegte ich! Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass die Schule nicht allzu schwierig war, wie man es von Frankreich immer behauptet. Die Sprachen meisterte ich mit links, da sind die Franzosen ja nicht so familiär mit, Mathe war sehr einfach und 2-stündig(!!!) was aber eben daran lag, dass ich im literarischen Zweig war. Auch die Naturwissenschaften waren nicht allzu schwer, Französisch und Geschichte hingegen schon. In Französisch lasen wir ständig alte französische Texte, Gedichte etc. und mussten diese analysieren. In Geschichte hatte die Lehrerin ein unglaubliches Tempo drauf! Was zu erwähnen ist, ist dass es in Frankreich ja keine mündlichen Noten gibt. Der Lehrer steht einfach vorne und hört nicht auf zu reden und die Schüler müssen alles notieren. Nur wenn du sehr viel Glück hast, schreibt der Lehrer mal was an die Tafel. Zu Beginn musste ich immer bei meinem Nachbar gucken, da ich das natürlich alles noch nicht verstand. Doch am Ende des Jahres stellt man plötzlich fest, dass man ganz alleine mitschreiben kann. Ja, und dann kann man eben noch eine „option“ wählen, vergleichbar mit unserem Leistungskurs. Sie ist 5-stündig und recht anspruchsvoll. Musik kam mir aber sehr gelegen, weil ich auch hier in Deutschland musikalisch tätig bin. Wir waren nur 7 Schüler, natürlich alle musikbegeistert und daher war das einfach toll für mich! Außerdem war ich noch im Chor und im April fuhren alle Musikklassen zusammen nach Spanien, um da ein Konzert zu geben! Es war einfach nur genial! Die Stimmung war super, wir haben in den Straßen gesungen und hatten unseren Spaß. Die französischen Schüler waren sehr nett und nahmen mich sofort auf. Ich freundete mich direkt am ersten Tag mit einem Mädchen an, das mir in der Schule immer half und mit dem ich bis zum Ende befreundet blieb. Meine wohl beste Freundin lernte ich im Tennisclub von Niort kennen, dem ich beigetreten war.

Was besonders diese 10 Monate prägte, war das Essen! Ich war wirklich nur am essen! Frühstück zu Hause, um 12 Uhr Mittagessen in der Schulkantine (war gar nicht mal so schlecht!), nach der Schule einen Zwischensnack (=goûter) mit Brioche und fett Nutella :-D und am Abend dann nochmal ein ordentliches Abendessen. Nicht nur einmal hatte ich ein Menu mit Aperitif, Vorspeise, Hauptspeise, fromage und Nachtisch! Also ihr seht…hungern werdet ihr hier nicht! Es war echt witzig zu sehen, dass die meisten Klischees, die wir mit den Franzosen verbinden, wirklich stimmen! Das lange Essen, immer eine Küsschen – Küsschen – Begrüßung (egal ob du diese Person nun kennst oder nicht und auch egal ob du gerade Zeit hast oder nicht), Franzosen mit Baguette unter dem Arm spazieren durch die Straßen - es fehlt nur noch das Hütchen. Auch stimmt es, dass sich die Franzosen nie Stress machen! Sie haben diese „Ach das wird schon werden“ – Einstellung und daran musste ich mich als waschechte Deutsche erst gewöhnen ;-)

Und dann hab ich Anfang Januar die Gastfamilie gewechselt. Nicht weil ich mich mit meiner Gastmama nicht mehr verstand, ganz im Gegenteil, aber sie reiste viel und konnte mich natürlich nicht dauernd alleine zu Hause lassen. Deshalb kam ich dann in eine Familie mit Mama, Papa und zwei kleineren Mädchen (9 und 12). Zum ersten Mal in meinem Leben war ICH die große Schwester und das war auch mal ganz cool! Auch bei dieser Familie fühlte ich mich sehr, sehr wohl, sie nahm mich sogar mit in den Skiurlaub. Und mit meiner vorherigen Gastmama traf ich mich noch oft.

Diese zehn Monate gingen einfach viel zu schnell vorbei und zack…saß ich schon wieder im Zug bzw. Flugzeug Richtung Frankfurt am Main. Und vor drei Tagen erst kam ich aus meinem Urlaub in Niort zurück. Ich hatte meine Freunde und Familie überrascht und bin ohne etwas zu sagen über die Herbstferien hingefahren. Das ist unser großer Vorteil, meine lieben zukünftigen Halbfranzosen ;-) Frankreich ist nur ein Katzensprung entfernt und es ist wesentlich einfacher und billiger dort hinzukommen, als zum Beispiel in die Staaten. Und auch jetzt habe ich wieder tolle anderthalb Wochen verbracht, mit meinen lieben Franzosen, dem guten Essen und der schönen Gegend. Und wer weiß…vielleicht studiere ich eines Tages in La Rochelle, denn diese Stadt hat es mir angetan. Ich hoffe, dass ich euch mit meinem Artikel überzeugt, beruhigt oder neugierig gemacht habe. Ich kann nur nochmal betonen, dass ich meine Entscheidung nicht bereue! Ich habe viele nette Leute kennen gelernt, schöne Städte besichtigt, am Meer gewohnt, und jetzt rocke ich den Französisch – LK ;-)